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Ein Plädoyer für den Mann in Schwarz – oder: Muss man eigentlich verrückt sein, um Schiedsrichter(in) zu werden?

 „Das wär nix für mich!“, „Warum sollte ich mir das antun?“, „Die ärmste Sau aufm Platz…“. Solche oder so ähnliche spontanen Reaktionen hört man oft, wenn man von seinem Hobby Schiedsrichter erzählt. Oder, wie ich es selbst ahnungslos vor Jahren gesagt habe, als er mir mein Friseur Frank Stettner von einem Einsatz in der Regionalliga (damals 3. Liga) erzählte: „Da ist man doch immer der Buhmann.“ Meine Meinung hat sich inzwischen geändert.

Die meisten Menschen haben bei dem Thema Schiedsrichter zunächst negative Assoziationen. Das hat sicherlich mit dem vorherrschenden Bild in den Medien zu tun. Wenn man sich heute samstags zwei Stunden Sportschau anschaut, so beansprucht neben Werbung, schönen Toren und jubelnden Fans die Frage „Lag der Unparteiische richtig?“ einen großen Anteil der Sendezeit. Akribisch werden die Strafraumszenen und Zweikämpfe mit einem Dutzend Zeitlupen aufgearbeitet, um dann eine „glasklare Fehlentscheidung“ zu attestieren. Und natürlich darf auch der Trainer, dessen Mannschaft gerade 0:5 verloren hat, in den Stimmen zum Spiel nochmal richtig Dampf ablassen, ob so viel Unfähigkeit des Trios in Schwarz. Natürlich mit den einleitenden Worten: „Ich sag sonst nie was zum Schiri, aber…“.

Dem einen oder anderen fallen bei einem der eingangs erwähnten Statements sicherlich auch eigene Erlebnisse der Versäumnisse auf dem Platz ein, nach dem Motto „Ich war auch nicht immer ganz einfach für den Schiri“.

Und dennoch gibt es in Deutschland über 70.000 solcher vermeintlichen Exoten, die Woche für Woche genau diesen Job machen – warum also tun die sich das an?

Wer sich näher mit dem Hobby Schiedsrichter auseinandersetzt oder sich gar einmal selbst mit der Pfeife aufs Feld traut, der wird schnell einige gute Seiten am Hobby Schiedsrichter entdecken.

Wie jeder andere Sportler freue ich mich auch als Schiri über ein Erfolgserlebnis, also ein gutes Spiel – nur halt unabhängig vom Spielausgang. Öfter als man denkt, hört man als Schiri nach dem Spiel beim Handshake ein „Danke, Schiri“, oder „Gut gepfiffen heute!“. Natürlich muss man wissen: wegen der Anerkennung sollte man es nicht machen. Und: auch nicht wegen des Geldes. Obwohl
25 € plus Fahrtkosten für ein Kreisligaspiel gar nicht schlecht sind. Was treibt uns Schiedsrichter dann sonst noch an?
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass man beim Hobby Schiedsrichter fürs Leben lernt. Man lernt in Sachen Konfliktmanagement, Durchsetzungsfähigkeit, Außenwirkung und Kommunikation dazu, wenn man Woche für Woche seinen Mann (oder seine Frau) auf dem Feld steht. Von diesen Erfahrungen profitiert man persönlich wie beruflich. Zudem hat man immer wieder einen Antrieb, sich sportlich zu betätigen, ohne jedoch zwingend ein Pensum mit dreimal die Woche Training, dazu Spielersitzung und Spiel am Wochenende absolvieren zu müssen. Der berühmt-berüchtigte „Geburtstag der Oma“, quasi der Klassiker der Trainings-Ausreden, kann für mich als Schiedsrichter ein Grund für einen Freitermin am Sonntag sein, wenn mir das wichtig ist. Nicht jeder Schiedsrichter muss jedes Wochenende verfügbar sein. Man gilt für seinen Heimverein als anrechenbar, wenn man mindestens 15 Spiele pro Saison absolviert hat und vier Schulungen besucht hat (unter 18 Jahren nur 12 Spiele). So habe ich für mich einen Weg gefunden, für meine Leidenschaft Fußball aktiv zu sein, ohne dass dies ein Konflikt für mein Familien- und Privatleben sein muss.

 Und noch mit einem weiteren Vorurteil kann ich hier aufräumen: Als Schiri bist du Einzelkämpfer. Natürlich fahre ich oft am Sonntagnachmittag eine dreiviertel Stunde in eine vielleicht unbekannte Ortschaft und pfeife ein Spiel mit mir unbekannten Spielern. Doch auch die Schiedsrichtergruppen sind ähnlich wie ein Verein strukturiert: Es gibt ein wöchentliches Training, gemeinsame Ausflüge und Wanderungen, ein Trainingslager, eine Alterskameradschaft, eine Jahresfeier oder Schulungen speziell für die Jung-Schiedsrichter. Hierbei gibt es viele Gelegenheiten über besondere Spielsituationen oder vielleicht auch mal über ein schlechtes Spiel oder eine Fehlentscheidung zu sprechen und zu erfahren,  dass es anderen schon ähnlich ergangen ist. Nicht zu vergessen sind beim Thema Kameradschaft auch die Spielleitungen im Gespann, also wenn man als Assistent oder mit Assistenten zu dritt unterwegs ist.

Selbstverständlich muss nicht jeder, der sich als Schiedsrichter betätigt, die Kickschuhe an den Nagel hängen. Alle Schiedsrichtergruppen leben auch und gerade von den Fußballern, die nebenher für ihren Verein ein paar Jugendspiele pfeifen. Ohne diese, nennen wir sie „Teilzeit-Schiris“, wäre ein Jugendspielbetrieb undenkbar. Und selbstverständlich ist jeder von ihnen vollwertiges Mitglied der Schiedsrichtergruppe. Wirklich entscheiden zwischen Fußballer- und Schiedsrichterdasein muss ich mich eigentlich nur dann, wenn ich in der Schiedsrichterlaufbahn vielleicht etwas mehr als andere erreichen möchte. Denn auch das ist möglich, als Schiedsrichter in höhere Ligen aufzusteigen und „Karriere zu machen“. Hierzu muss man zunächst in der Bezirksliga von seiner Schiedsrichtergruppe zur Beobachtung durch den Verband gemeldet werden. Natürlich brauche ich dann auch regelmäßige Praxis, um gute Leistungen zu bringen, das lässt sich sicherlich nur schwer mit dem aktiven Fußballspielen vereinbaren. Aber bei etwas Fleiß kann man auch als Schiedsrichter sportlich etwas erreichen und aufsteigen. Ich selbst nehme  als Schiedsrichter in der Landesliga an einer Liga teil, die vermutlich zwei, drei Ligen über der liegt, die ich maximal als Spieler erreicht hätte… Und dass ich einmal zusammen mit Cacau oder Christian Genthner zusammen auf ein Fußballfeld einlaufen darf, wie bei einem Testspiel des VfB Stuttgart in Schrozberg, das hätte ich mir sicherlich auch nie träumen lassen…

So hoffe ich, dass sich auch zukünftig in Zeiten sinkender Schiedsrichter-Zahlen wieder der eine oder andere von dem Hobby Schiedsrichter begeistern lässt und so aktiv bleibt für eine der schönsten Nebensachen der Welt.

Lars Krimmer

Ich bin gerne Schiri, weil…

… man einen fairen, sportlichen Wettkampf ermöglichen kann und man sich persönlich stetig weiterentwickelt.

Andreas Hofmann (ESV Crailsheim)

… weil mir das Pfeifen Spaß macht, ich dabei schon viele neue Leute und Vereine kennen gelernt habe und dabei viel in der Region rum komme. Zudem bringen mich die Erfahrungen auf dem Platz auch persönlich weiter.

Jan Moser (TSV Obersontheim)

… weil die Gruppe sehr viele Aktivitäten anbietet und ich mich innerhalb der Gruppe sehr wohl fühle.

Christian Jahnel (TSV Michelbach/Bilz)

… ich Spaß daran habe, jedes Wochenende auf dem Fußballplatz zu stehen und auf 22 verschiedene Charaktere einzugehen.

Knut Krimmer (TSV Eutendorf)

… es Spaß macht, jede Woche auf dem Sportplatz die Leidenschaft „Fußball“ zu teilen. Außerdem ist es toll, sich persönlich weiterzuentwickeln und Verantwortung zu übernehmen.

Ann-Christin Jung (TSG Schwäbisch Hall)

 

 

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